Blog: Mittelmanager – Helden der Agilen Transformation

Ein Workshopraum in München. Vier Mittelmanager aus unterschiedlichen Funktionsbereichen und Unternehmen beschriften konzentriert Moderationskarten und der Stapel in der Mitte des Tisches wächst schnell. Die vier wurden (wie zwei nicht anwesende Mittelmanager vorab) von Beratern des AgileSixpack gebeten, ihre typischen täglichen Aufgaben zu notieren und hinsichtlich der Relevanz für die eigene Funktion und das Unternehmen zu klassifizieren. Nach der Auswertung entstand so ein recht konsistentes Bild der Rolle, die Mittelmanager heute in der deutschen Wirtschaft ausfüllen. Im Wesentlichen wurden die Punkte und Verteilungen identifiziert, die auch in einer Accenture-Studie in 2017 (über alle Führungsebenen) genannt werden.

 

Abb.1: Womit Manager ihre Zeit verbringen

 

Szenenwechsel. Sucht man in der Suchmaschine seines Vertrauens nach der Rolle des Managements in der Agilen Transformation“, ist allzu oft ein Tenor zu lesen: Manager = Lähmschicht = Besser abschaffen! Als Gründe werden vielfältige Gründe, etwa die Abwesenheit von Führungskräften in den Sozialen Medien, oder die Unkenntnis agiler Methoden angegeben. Wichtigster Kritikpunkt ist eine vermeintlich überkommende Vorstellung davon, wie Management in der modernen Wirtschaft gestaltet sein sollte (Mindset). Sollten die Manager und insbesondere die Mittelmanager also besser abgeschafft werden, wenn eine Agile/Digitale Transformation ansteht?

Wir vom AgileSixpack sind der Auffassung, dass diese Frage genau umgedreht betrachtet und bewertet werden sollte. Gerade die Mittelmanager sind die Gruppe in den Unternehmen, die am ehesten in der Lage sind oder in die Lage versetzt werden können, die anstehende Transformation positiv zu gestalten. Sie sind unsere Helden der Agilen Transformation!

Wie lässt sich der Widerspruch auflösen? Beginnen wir mit den Gründen für die Kritik an den Managern. Hier wird gerne übersehen, dass diese in der bisherigen Entwicklung Agilen Arbeitens erst relativ spät eingebunden wurden. Die ersten Erfahrungen haben agil arbeitende Mitarbeiter gesammelt und die aufmerksam gewordenen Top-Manager haben sich schnell und mit externer Unterstützung schlau gemacht. Die Mittelmanager sind dagegen meist in der operativen Hektik des bestehenden Organisationsmodells gefangen. Ihre Hauptaufgaben sind Informationsverteilung, Entscheiden, Steuern, Reporten. All dies in Relation zum bestehenden Organisationsdesign, d.h. meist nicht- oder sogar anti-agil! Dies war auch die wesentliche Erkenntnis der Mittelmanager im oben erwähnten Workshop.

Welche Vorteile bieten die Mittelmanager dagegen, wenn eine Agile Transformation ansteht? Zunächst einmal sind Mittelmanager keine Anfänger. Sie haben bereits einige Berufsjahre auf dem Buckel und mehrere Rollen als Spezialist und Führungskraft eingenommen. Sie haben somit einen erfahrungsbasierten und wertvollen Blick auf die Organisation und die Themen, die mehr oder weniger gut funktionieren. Wahrscheinlich haben sie auch schon mehrere Transformationen und Change-Prozesse end-to-end erlebt.

Diese Erfahrungswelt ist von besonderer Bedeutung, wenn man sich klar macht, welche Faktoren für eine agile Transformation wesentlich sind. Um eine agile(re) Organisation zu schaffen, müssen sowohl die Faktoren (agiler)Mindset, die Governance (d.h. die Aufbau- und Ablauforganisation) und die Methoden verändert werden. In der Praxis ist leider nur selten zu beobachten, dass diese drei Faktoren gleichzeitig und gleich konsequent bearbeitet werden. Die meisten angeblichen Transformationen starten mit der Einführung agiler Methoden, um dann am agilen Mindset zu arbeiten.

Abb.2: Bestandteile des Management 4.0 Quelle: Management 4.0 (s.u.)

 

Alte Hasen wissen, dass die eigentlich harte Arbeit die Veränderung der Organisation ist. Das Organisationsdesign neu zu definieren, dazu passende Strukturen zu schaffen und effiziente Prozesse zu etablieren ist methodisch und vor allem sozial ein harter Brocken. Vielleicht wird dieser Teil auch deshalb gerne vernachlässigt? In jedem Fall wird eine agile Organisation unbedingt auch eine Organisationsveränderung nach sich ziehen müssen.

Last but not least muss alleine wegen des letzten Punktes die Machtfrage betrachtet werden. Jede Transformation erfordert eine große Zahl von Entscheidungen und Anpassungen die sich aus den Unterschieden von Plan und Realität ergeben. Diese Entscheidungen werden meist auf der Ebene der Mittelmanager getroffen. Sie bilden die Brücke zwischen strategischen Entscheidungen des Top-Managements und der operativen Realisierung agilen Arbeitens. In der Regel haben sie das Mandat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und spielen damit eine zentrale Rolle für die Umsetzung der Transformation.

Betrachtet man ein Modell für eine Agile Transformation, etwas das des AgileSixpack (s.u.), dann fällt sofort auf, dass die einzige Erfahrungslücke der Mittelmanager im Bereich Agiler Methoden und agiler Arbeitserfahrung liegt. Die anderen Gruppen im Unternehmen können vielleicht mit Agilerfahrung aufwarten, dafür fehlt es an den anderen Kompetenzbereichen deutlich stärker als dies bei Mittelmanagern zu beobachten ist.

Damit die Mittelmanager eine positive Rolle in einer agilen Transformation übernehmen können, ist wenig nötig. Diese Zielgruppe ist qualifiziert und erfahren und hat die Macht, die notwendigen Entscheidungen umzusetzen. Was sie brauchen ist:

1.     Kenntnis was läuft und Wissen um die Methoden etc.– Mittelmanager müssen verstehen, was agiles Arbeiten bedeutet und eigene praktische Erfahrung mit agilem Arbeiten sammeln.

2.     Freiraum umzusetzen und Organisationanpassungen zu treiben – Aktiv am Organisationsdesign und der Governance der Organisation arbeiten. Hierzu ist eine relativ größere Veränderung nötig. Mittelmanager denken und arbeiten meist in organisatorischen Silos. Für die agile Zukunft gilt es nun, sich über diese Silos hinweg auf Peer-Ebene zu vernetzen und abzustimmen. Nur dann werden durchgängige Organisationsveränderungen im Sinne einer agilen Zukunft möglich sein.

Der letzte Punkt ist der Kritischste. Normalerweise arbeiten Mittelmanager isoliert und eher in Konkurrenz (Siloorganisation) zueinander. Damit agiles Arbeiten in der Organisation verankert werden kann, sind ein eindeutiges Organisationsdesign zu verabreden und dann iterativ neue Prozesse und Standards zu etablieren. Dazu sollten sich die Mittelmanager in Peer-Netzwerken organisieren und gemeinsam eine End-to-End-Verantwortung übernehmen. Das ist die eigentliche Herausforderung, da so nicht bekannt. Aber warum sollten nicht auch die Mittelmanager den Change von einer Silostruktur und – Arbeitsweise hin in ein agiles Netzwerk schaffen.

 

Abb.3: Was es für eine gelungene Agile Transformation braucht – Das AgileSixpack Transformationsmodell

 

Was bedeutet das Gesagte für die Praxis?

1.     Für Agilexperten:

a.     Betrachten Sie die Mittelmanager eher als Verbündete, denn als Gegner (Kunden-Mindset).

b.     Überzeugen Sie durch Professionalität, d.h. Fokus auf bewährte Businesskonzepte (Business Case, ROI-Rechnungen, agile KPI,…) statt Agile Buzzwording (professional Excellence)

c.      Nutzen Sie die Möglichkeiten der Mittelmanager durch Einbindung in die anstehende Transformation und gemeinsame Entwicklung neuer Regelwerke (Governance)

2.     Für Top-Manager

a.     Delegieren Sie die Agile Transformation an die Mittelmanager und begleiten sie den Prozess als Peer (motivierte Teams bilden).

b.     Gehen Sie mit dem Mittelmanagement in gemeinsame (!) agil konzipierte Qualifizierungen, um die nötigen strategischen und taktischen Entscheidungen zu treffen (agile Skills)

c.      Arbeiten Sie so agil wie möglich, um als Vorbild zu dienen (agile Leadership)

3.     Für Mittelmanager

a.     Befreien Sie sich von operativer Überlast, um Zeit und geistige Ruhe zu gewinnen, die in die agile Qualifizierung gesteckt werden kann (limit Work in Progress)

b.     Vernetzen Sie sich mit den Treibern und Vordenkern in ihrem Unternehmen und darüber hinaus. Raus aus den Silos, rein in professionelle Netzwerke!

c.      Passen Sie die Strukturen und Arbeitsprozesse in Ihrem Verantwortungsbereich an agiles Arbeiten an und dies in einer End-to-End-Verantwortung mit den Peers auf gleicher Ebene.

 

Für die meisten Mittelmanager bedeutet der Weg in die agile Zukunft eine massive Veränderung und einen anstrengenden Lernprozess. Erfolg ist nie einfach und Agilität erfordert einiges an Disziplin und Arbeit.

Der erste Schritt in eine agilere Zukunft wird daher vielfach eine zielgruppen-adäquate Qualifizierung sein. Auch hier sollten die agilen Werte und Prinzipien (http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html) Anwendung finden: Kleine, schnelle Einstiege und dann iterativ größer werden. Wir fangen mit zwei Tagen zum „Schnuppern“ an, dann kommt ein 12-Tage Executive Qualifizierungsprogramm für die wirklich Interessierten und dann kann man via Training-on-the-Job – also z.B. begleitet durch einen erfahrenen Agile Coach – im laufenden Betrieb unter produktiven Bedingungen weitere Erfahrungen sammeln.

 

Lesetipps:

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