Blog: Was Agiles Arbeiten im Kern bedeutet – Von oben rechts nach unten links!

 

Können Sie Agil und Agilität sofort definieren? Wir haben einen Vorschlag. Agil und Ägilität gehören zu den aktuell wichtigsten Themen, degenerieren aber zunehmend zu Buzzwords. Eine Ursache ist, dass sie nicht präzise erläutert werden. In der Folge kursieren unterschiedlichste Vorstellungen darüber, was Agilität eigentlich sei und viele davon gehen am Kern vorbei. Daher hier ein Angebot, die komplexe Materie Agilität möglichst knapp zu erläutern.

Im Duden wird Agil als „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“ definiert. Die Übertragung auf Unternehmen und Wirtschaft führt dann zur Vorstellung, dass eine hohe Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen, technologische und soziale Neuerungen etc. besteht. Hier geht es somit um Agilität im Markt (Business Agility). Diese Definition von Agilität ist korrekt, beschreibt aber das Symptom, nicht die Ursache.

Wenn über Agilität gesprochen wird, geht es meist um die wichtigste Grundlage der gerade beschriebenen Business Agility: Agile Arbeitsorganisation und -Abläufe. Oft wird die Nutzung Agiler Methoden hiermit gleichgesetzt oder aber Agilität mit einem diffus oder gar nicht definierten Mindset umschrieben. Beides ist für sich alleine genommen unzureichend und irreführend.

Agiles Arbeiten als Kern der Agilität ist eine Form der Arbeitsorganisation in der Wissensarbeit transparent gemacht wird, um einen effizienten Arbeitsfluss zu erzeugen. Agile Arbeitsorganisation ist also vor allem in den Bereichen sinnvoll, in denen Wissensarbeit vorherrscht. Gerade in komplexen Kontexten ist Agile Arbeitsorganisation besonders erfolgreich.

Ausgangspunkt ist der realisierte Kundennutzen (Outcome), den es zu optimieren/ maximieren gilt. Hier deutet sich bereits an, dass Agilität im Kern auf Lean Management zurück geht und dessen Wirkprinzipien auf Kopfarbeit und Kreativarbeit überträgt.

Die Wirksamkeit Agilen Arbeitens entsteht durch folgende Kernprinzipien:

·       Klare Priorisierung durch Fokus auf Wertschöpfung und Reduktion von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten und Aufwendungen

·       Durchsatzoptimierung durch Reduzierung von Komplexität in der Kommunikation, im Prozess und in den organisatorischen Strukturen

·       Anpassung der Menge an Arbeit im System an die tatsächlich vorhandene Kapazität (work in process Limitierung, pull-Prinzip)

·       Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der Engpässe und Blockaden abbaut und Lernen auf allen Ebenen der Organisation treibt

Die folgende Grafik zeigt die Kernelemente von Agilem Arbeiten. Die Zahlen in Klammern verweisen auf kurze Erläuterungen unten in diesem Beitrag.

Neben den genannten Kernfaktoren gibt es noch eine Reihe weiterer Elemente Agilen Arbeitens, die wichtig sind. Diese unterstützen die Kernelemente (z.B. User Story, Burndown-Chart usw.) oder sind eine Folge des Agilen Arbeitens (z.B. Agiler Mindset). Hier würde deren Diskussion den Rahmen sprengen.

Agilität ist in Gänze ein komplexes Thema und erfordert eine professionelle Handhabung, sowie viel Übung. Da einige Elemente Agilen Arbeitens kontra-intuitiv zu den gewohnten Arbeitsstrukturen sind, ist wichtig, alle relevanten Faktoren zu beachten und sich nicht nur auf Methoden wie Scrum oder den Agilen Mindset zu fokussieren. Ein sinnvolles Organisationsdesign, kompetente Mitarbeiter und eine klare Vorstellung zum Nutzen gehören ebenfalls dazu und sind zwingende Voraussetzungen für eine Agile Transition.

Unter dem Strich werden nur sehr wenige Unternehmen ohne zumindest teilweise Implementierung von Agilität auskommen. Der Weg in die agile Zukunft ist  nicht einfach und erfordert einiges an Know-How und Durchhaltevermögen aber es lohnt. Go for it!

 

Erläuterungen zu den Nummern in der Grafik:

(1) Ausgangspunkt agilen Denkens und Handelns ist der Kundennutzen, den es zu realisieren gilt, übrigens unter direkter Einbindung des Kunden. Dieser Outcome (realisierter Nutzen) unterscheidet sich vom Output, dem abzunehmenden Liefergegenstand. Hoffentlich nicht zu sehr …

(2) Das Agile Board sorgt für Transparenz über die gerade bearbeiteten Aufgaben bzw. die Hindernisse (Impediments), die aufgetreten sind (in Form von Aufgaben im Status „wait“). Das Board dient der Visualisierung, um nicht materielle Arbeit überhaupt erstmal kommunizierbar und damit steuerbar zu machen. Impediments sind nur ein kleiner Teil auf dem Board, im Wesentlichen steure ich hier den gesamten Workflow, nicht nur Impediments

(3) Auf dem Board wandern die Aufgaben selbst von links nach rechts aber (!) die verantwortlichen Teammitglieder ziehen (Pull) die Arbeit, wenn sie freie Kapazitäten haben. Daher geht der Impuls für Arbeit von rechts nach links! Die Menge der Arbeit auf dem Board entspricht der tatsächlichen Kapazität in der Organisation.

(4) Limited Work in Progress (WiP) sorgt dafür, dass nur so viele Aufgaben an einer Station bearbeitet werden, wie tatsächliche Kapazität vorhanden ist. Das Limit macht Engpässe überhaupt erst erkennbar! Es führt jedoch auch dazu, dass viele Teammitglieder auf Arbeit warten, weil ein Engpass limitierend wirkt. Die Mitarbeiter in Unterlast organisieren sich idealerweise so, dass sie am Engpass unterstützen oder den Engpass von Arbeiten entlasten, die nicht direkt zur Wertschöpfung beitragen. Alternativ kann der Engpass aufgeweitet werden.

(5) Backlogs enthalten die Arbeit, ausreichend spezifiziert und nach Priorität sortiert, die in den nächsten Arbeitszyklen bearbeitet werden soll. Dies wird vom Team selbst spezifiziert (in Zusammenarbeit mit Kunde oder Auftraggeber in der Organisation), eingeschätzt und organisiert. Regelmäßig wird das Backlog (Backlog Replenishment/Refinement) überarbeitet und nachgefüllt, basierend auf den Erfahrungen der vorangegangenen Arbeitszyklen.

(6) Zentrales Element agilen Arbeitens ist das kontinuierliche Lernen und Verbessern. Dazu werden Reviews (zum letzten Sprint) und Retrospektiven (zur Zusammenarbeit generell) durchgeführt. Die Erkenntnisse fließen in nächste Produkt Managemententscheidungen und in das Backlog Refinement ein.

(7) Das Portfolio ist eine priorisierte Liste der strategisch relevanten Arbeiten. Diese werden von der Unternehmensleitung/dem Management entschieden und bilden die Quelle der Arbeiten, die in die Sprint-Backlogs einfließen. Zwischen den beiden Backlogs liegt die Verantwortungsgrenze zwischen der Unternehmensleitung und den selbstorganisierten Teams. Diese Grenze spielt eine zentrale Rolle, da deren Nichtbeachtung mit größter Wahrscheinlichkeit von einer Pull- zu einer Push-Logik führt. Das lässt agile Arbeitsorganisation schnell kollabieren.

(8) Das Team ist mit allen Befugnissen/Kompetenzen für eine end-to-end-Bearbeitung des Themas/Projektes ausgestattet und bleibt über den gesamten Erstellungsprozess stabil.

 

Tipp: Zur Abgrenzung von Komplexität, Kompliziertheit etc. vergl. das Cynefin-Framework. Bspw.: https://www.youtube.com/watch?v=N7oz366X0-8

 

Lesetipp: Der Schnelleinstieg Agiles Personalmanagement bietet eine umfassende Einführung in Business Agility und die Konsequenzen Agiler Arbeitsorganisation für die Führungsrolle und das Personalmanagement: