HR wird in die agile Welt katapultiert – Corona sei Dank!

Seit Jahren schreiben sich die Vordenker und Vormacher die Finger wund und reden sich den Mund fusselig, um das Thema Agiles Personalmanagement in die Personal-Community zu tragen. Meist mit überschaubarem Erfolg. Dann kommt ein Virus daher, die Regierung beschließt Maßnahmen und von einem Tag auf den anderen wird die Personalerwelt auf den Kopf gestellt. Schlagartig müssen Arbeitsorganisation und Personalprozesse komplett anders gedacht und organisiert werden.

 

Nach dem ersten Schock und den zwingend nötigen Sofortmaßnahmen zur Aufrechterhaltung eines wie auch immer gearteten Produktivbetriebes befinden wir uns nun in der Phase, in der die Zukunft im Fokus steht. Wie soll und wird es weitergehen? Wie wird das „neue Normal“ aussehen und was sind die Kernaufgaben von HR in dieser Zukunft? Antworten auf diese Fragen sehen wohl unterschiedlich aus aber ganz offensichtlich ist Bewegung ins Spiel gekommen.

 

In dieser Umbruchphase scheint es einen eindeutigen Gewinner zu geben: Agilität, genauer gesagt Agile Arbeitsorganisation. Die Nachfrage nach Informationen und Erfahrungsaustausch zu Agilem Arbeiten ist sprunghaft gestiegen. Fragt man die Kolleginnen und Kollegen was hinter der schlagartig einsetzenden Nachfrage steht, gibt es wohl mehrere Antreiber:

  • Erkenntnis, dass Agil arbeitende Unternehmen deutlich besser aus der Krise kommen
  • Ansage der Geschäftsführung, das Thema anzugehen
  • Erkenntnis, dass ganz andere Themen für die Führungskräfte und Mitarbeiter interessant sind, als HR bisher glaubte
  • Initiative, die Gelegenheit beim Schopf zu fassen und den erzwungenen Wandel in konstruktiven Wandel weiterzuführen

 

Egal, was dahintersteckt, jetzt ist die Zeit für HR, sich auf Agilität einzulassen und die Prinzipien Agilen Arbeitens für den eigenen Funktionsbereich zu nutzen. Die Chance auf einen nachhaltigen Wandel war selten so günstig!

 

Für viele Personaler ergibt sich somit die Herausforderung, sich das Thema Agilität schnell und meist neben dem Berg an „Regelaufgaben“ zu erschließen. Wie kann das gehen? Machen wir dafür einen Schritt zurück. Warum hat uns Corona gezeigt, dass Agilität ein wichtiges Thema ist und warum sollten wir es weiterverfolgen? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Radikalität der Entwicklung, die sehr klar gezeigt hat, wie eng Unternehmensorganisation und Handlungsfähigkeit zusammenwirken und welche Bedeutung die Qualifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter für den Erfolg hat. Innerhalb weniger Tage mussten Arbeitsabläufe komplett neu gedacht und organisiert werden. Aufgaben und Projekte mussten neu priorisiert werden und ein extrem volatiler Markt war zu bedienen. In derartig komplexen Kontexten ist Agile Arbeitsorganisation ideal!

 

Unternehmen, die zu Beginn der Corona-Zeit bereits Agil arbeitende Einheiten hatten, konnten schnell reagieren, da die Teams die Agile Vorgehensweise „probe-sense-respond“ gewohnt waren und durch die kurzen iterativen Einheiten (Sprints) schnell auf neue Themen umstellen konnten. Neue Prioritäten sofort in den operativen Betrieb zu bringen und zu kundentauglichen Ergebnissen zu entwickeln ist in volatilen Kontexten ein Wettbewerbsvorteil.

 

Insgesamt zeigte die Corona-Lage par excellence, wie die Agilen Elemente Outcome-Orientierung (Kundennutzen), Backlog (Priorisierung), limited Work in Process (schnelle Lieferung), Sprints (schnelles Lernen, schnelle Wechsel der Arbeitsinhalte), Agile Board (Transparenz und Lieferprognose) in der Praxis wirken [1]. Und alle standen drumherum und haben live mitverfolgt, wie Agiles Arbeiten funktioniert und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen maximiert. Wurden dann noch die kreative Formate wie Design Challenges, Design Sprints, Design Thinking, 15% Solutions, MinSpec usw. genutzt, konnte innerhalb kürzester Zeit auch noch neue Marktsegmente / -anteile bedient werden.

 

Soweit so gut. Was hat das nun mit dem Personalmanagement zu tun? Zunächst einmal fällt Agile Arbeitsorganisation nicht vom Himmel. Es bedarf einiger organisatorischer Veränderungen und einer qualifizierten und erfahrenen Mannschaft. Beides sind Kernthemen der Personalmanagements und die Personalabteilung muss bei der Agilen Transition unbedingt eine führende Rolle einnehmen. Dazu braucht es wiederum eine Personalabteilung, die selber Agil organisiert ist und Erfahrung im Agilen Arbeiten besitzt. Nur dann sind die vielfältigen Implikationen Agiler Arbeitsorganisation, die sich ja auch auf das Arbeitsrecht und die Mehrheit der Personalprozesse erstreckt auch adäquat bearbeitet werden [2]. Diese zentrale Rolle von HR für den Erfolg einer Agilen Transition ist durch Corona und den radikalen Wandel offensichtlich geworden.

 

Für Personaler bedeutet das in den vielen Fällen, sich flott in das Thema einzuarbeiten und gemeinsam (!) mit dem Business die nächsten Schritte zu gehen. Alles Zweitrangige sollte unterlassen werden (limit work in Process) und in schnellen, iterativen Zyklen vorgegangen werden. Die offensichtliche Frage wird sein: Und wie soll das konkret gehen? Die Antwort ist einfach: Agil!

 

Nimmt man die oben bereits dargestellten Agilen Elemente, Outcome, limit Work in Process usw., dann ist der Weg in das Agile Personalmanagement vorgezeichnet. In schnellen, iterativen Schritten die am höchsten-priorisierten Themen angehen und schnell zu Ergebnissen führen. Diesen Satz nehmen Sie bitte wörtlich. Es geht darum, schnell, kleine Schritte zu nutzbaren Ergebnissen zu gehen. Große Konzepte, lange Meetings usw., das war gestern. Was beim Übergang in die Agile Welt helfen kann, sind unter anderem die Liberating Structures (www.liberatingstructurees.de). Dies sind kurze, kollaborative Interventionen, die es erlauben Teamarbeit zu strukturieren. Darin sind unter anderem die Structures 15% und MinSpec enthalten. Beide helfen dabei, sich auf das Minimum zu konzentrieren, das benötigt wird, um ein Ergebnis für den Kunden zu generieren. Probieren Sie es mal aus und Sie sind bereits auf dem Weg in die Agile Arbeitswelt.

 

Welches der HR-Referenzthemen zuerst angegangen werden sollte ergibt sich aus der Unternehmenssituation aber auch aus der Betroffenheit des Feldes. Während Lohn/Gehalt eher wenig Raum für sinnvolles Agiles Arbeiten bietet, ist die Personalentwicklung massiv betroffen. Einerseits wegen des hohen Lern- und Qualifizierungsbedarfes, der in jeder Veränderung steckt, zum anderen, weil Agiles Arbeiten an sich ein Lernprozess ist. Lernen erhält so einen komplett neuen Stellenwert und muss n Agile arbeitenden Organisationen anders organisiert werden. Warum das so ist, kann der nochmalige Blick auf die oben beschriebenen Elemente des Agilen Arbeitens aufzeigen. Gearbeitet wird in kurzen Zyklen, die alle mit einer kurzen Rückschau enden. Lernen ist also im System integriert. Gleichzeitig wird an Themen gearbeitet, die sich erst im Verlauf der Arbeit zu einem Produkt/Ergebnis entwickeln. Eine vorbereitende Qualifizierung kann hier also nicht wissens- oder prozess-basiert sein, sie muss kompetenzbasiert und in hohem Maße durch die Lerner selbstgesteuert sein. Schließlich können nur die Agilen Teammitglieder im Verlauf der Arbeit erkennen, welcher Qualifizierungsbedarf besteht.

 

Der Fokus der Personalentwicklung verändert sich also von der wissens-/methodenorientierten Qualifizierung für definierte Stellen/Positionen, hin zur kompetenzorientierten Befähigung, adaptiv zu lernen und kollaborativ zu agieren [3]. Personalentwicklung fokussiert sich zukünftig auf die Employability in einer sich schnell verändernden Welt.

 

Für die Personalentwickler ergibt sich somit ein massiver Rollenwechsel, weg vom Anbieter, hin zu einem Agilen Lerncoach [4], der Teams und Mitarbeiter befähigt, ihre Lernprozesse strukturiert und professionell zu organisieren. Werden dann noch Agile Arbeitsprinzipien im Design von Qualifizierungen abgebildet [5], steht der Entwicklung einer modernen Personalentwicklung nichts mehr im Wege.

 

Wird der Umbau des Personalmanagements zu einem Agilen Personalmanagement gelingen? Wir sind optimistisch! Die Zahl der Interessenten für AgileHR-Angebote steigt exponentiell und gleichzeitig steigt die Zahl der Erfahrungsberichte, die Personalern helfen, sich fokussiert auf den Weg in ein Agiles Personalmanagement zu machen.

 

Wir Personaler können Corona somit dankbar sein. Der massive Wandel öffnet eine Tür für Veränderungen, die ohnehin vorgenommen werden müssen. Wer die Chance jetzt nutzt kann die Entwicklung beschleunigen, einen echten Mehrwert generieren und gleichzeitig die Bedeutung von HR für das eigenen Unternehmen beweisen. Diese Chance darf man nicht verpassen! Und wie bei allen Wegen gilt: Der erste Schritt ist der Entscheidende! Auf geht´s.

 

 

Lesetipps:

 

[1] Artikel: Was Agiles Arbeiten im Kern bedeutet

[2] Buch: Schnelleinstieg Agiles Personalmanagement

[3] Buch: Agiles Lernen

[4] Whitepaper: Agiles Lernen

[5] Artikel: Agile learning Designs for an Agile world – Using Agile values and principles to handle complex learning topics

 

Dieser Blogbeitrag erschien zuerst hier: Persoblogger